Es gab sie vor noch nicht allzu langer Zeit in diesem Maße freilich nicht, all die Fleischersatzprodukte in den Supermarktregalen. Von vielen wird dies als großer Erfolg gefeiert. Mich ärgert es, dass die Fleischindustrie und andere große Konzerne wie z.B. Nestlé diesen neuen Markt erobern und zunehmend Produkte von veganen Unternehmen aus den Regalen verdrängen.
Immer wieder hört und liest man, dass die kleinen veganen Unternehmen gar nicht die Kapazitäten haben, die Nachfrage zu decken. Daher sei es ein Segen, dass die großen Konzerne diesen Markt nun entdeckt haben und die Nachfrage befriedigt werden kann. Außerdem seien gerade diese Produkte wichtig, um omnivoren Menschen die vegane Lebensweise näher zu bringen, quasi im wahrsten Sinne des Wortes „schmackhaft“ zu machen.
Das führt mich zu folgenden Fragen: brauchen wir all diese veganen Lifestyle-Produkte in dieser Masse überhaupt? Lassen sie bei Außenstehenden nicht ein völlig verzerrtes Bild von veganer Ernährung entstehen? Erweckt das nicht den Anschein, dass sich ohne diese Produkte eine pflanzliche Ernährung gar nicht bewerkstelligen lässt? Und wie oft hören wir: „Aha…Fleisch und Wurst esst Ihr nicht. Aber warum müsst Ihr dann Produkte essen, die Fleisch und Wurst im Geschmack und in der Konsistenz gleichen?!“
Ich streite nicht ab: hin und wieder vegane Würstchen oder ein veganer Burger sind lecker. Aber gut vegan ernähren können wir uns auch ohne all diese (nun zunehmend industriell hergestellten) Produkte: Gemüse, Obst, Kartoffeln, Nudeln, Reis, Hirse, Quinoa, Getreide in den verschiedensten Sorten etc.
Sollten wir uns nicht auf „das Einfache“ zurückbesinnen anstatt das tausendste vegane Lifestyleprodukt zu feiern? Sollten wir nicht zeigen, wie einfach es ist, sich vegan zu ernähren ohne all diese Schnitzel, Nuggets, Aufschnitte und Würstchen? Es kann doch nicht in unserem Sinne sein, wenn die großen Konzerne wie Nestlé, Unilever, Kraft und Co., die für Ausbeutung stehen, den veganen Markt vereinnahmen. Gleiches gilt für die Fleisch- und Milchproduzenten…
Wollen wir nicht eine solidarische Landwirtschaft, Nahrungsmittelgerechtigkeit etc?
Das werden wir mit diesen Unternehmen m. E. nicht erreichen.
Wie seht ihr das? Sollte sich die Tierrechtsbewegung darum bemühen, dass das Angebot an veganen Lifestyleprodukten wächst, egal von wem sie angeboten werden? Oder sollte der Fokus auf einem grundlegenderen Wandel in unserer Gesellschaft liegen, der nicht lediglich auf einem Wechsel des Konsums von Produkt A zu Produkt B des gleichen Lebensmittelkonzerns liegt?
Ich halte das Argument, dass die kleinen veganen Unternehmen gar nicht die Kapazitäten haben, die Nachfrage zu decken, für vorgeschoben, um das wachsende Angebot vegetarischer und veganer Produkte von Fleischkonzernen schönzureden.
Wie inzwischen deutlich beobachtbar ist, aber von manchen, die das nicht wahrhaben wollen, immer noch bestritten wird, sind die Supermärkte dabei, ihre Sortimente umzustellen – hin zu mehr Produkten der Großkonzerne und weg von Produkten rein veganer Hersteller. Offenbar ist es ja SO viel attraktiver, vegane Produkte von Wiesenhof zu kaufen, oder von Rügenwalder. Warum? Weil man die Marken eher kennt? Ich halte das für einen Trugschluß.
Wenn ich auf der Suche nach veganen Fleischersatzprodukten bin, suche ich nach dem entsprechenden Regal und werde Produkte kaufen, die lecker aussehen, meinen Wünschen entsprechen und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis haben. Es ist natürlich nicht zu leugnen, daß manche Menschen eher zu ihnen bekannten Markennamen greifen, allerdings würde ich das nicht überbewerten, da sie sich ja mit der Suche nach VEGANEM ohnehin auf „neues Terrain“ begeben.
A propos „meinen Wünschen entsprechen“: zu MEINEN Wünschen gehört es selbstverständlich auch, kein Feigenblatt-Produkt eines Fleischherstellers zu kaufen. Daß das nicht bei jedem_jeder so ist, ist klar, jedoch von vornherein zu unterstellen (wie manche das tun), daß Produkte von Wiesenhof, Rügenwalder etc. automatisch die Gesamt-Nachfrage erhöhen, nur weil die Leute den Markennamen kennen, halte ich für zu kurz gegriffen. Immerhin kennen sie den Markennamen ja von Fleischprodukten, und wenn sie auf der Suche nach Alternativen sind, suchen sie eben diese ja gerade nicht.
Noch einmal zurück zu den Kapazitäten: nach meiner Wahrnehmung steigt die Nachfrage nach veganen Produkten NICHT SO sprunghaft, daß sie plötzlich von Firmen wie Wheaty, Tofutown, Taifun oder Purvegan nicht mehr befriedigt werden kann. Im Gegenteil: wir erleben gerade, daß die Nachfrage nach diesen Produkten tendenziell wieder sinkt, eben, weil sie aus den Supermarktregalen ausgelistet werden.
Zur Frage, ob wir das alles überhaupt brauchen: die klare Antwort ist selbstverständlich nein. Wobei dieselbe Antwort für sicherlich über 90% ALLER Produkte (nicht nur Lebensmittel) auf dem Markt unseres Überfluß-Landes gilt. Ich möchte aber bitte auch die Möglichkeit haben, solche Produkte zu erwerben, wenn ich Lust darauf habe. Es kann ja auch nicht angehen, daß der Markt veganer Produkte gefälligst nur herzustellen hat, was man UNBEDINGT BRAUCHT. Dazu gehört m.E. z.B. auch kein Quinoa, und trotzdem taucht dieses Naturprodukt in der Liste dessen auf, womit wir uns auch ohne Fleischersatzprodukte ausreichend gut vegan ernähren könnten. Also warum brauchen wir Quinoa, aber gute, rein vegane, Bio-Fleischersatzprodukte nicht?
Ja, wir wollen eine solidarische (Bio-)Landwirtschaft, Nahrungsmittelgerechtigkeit usw. Dieses Wollen schließt für mich aber den Konsum etisch-veganer Bio-Fleischersatzprodukte nicht aus. Der Widerspruch, der hier in der Argumentation erzeugt wird, ergibt sich nur dann, wenn ähnliche Produkte von Fleischkonzernen konsumiert werden. Und er ist somit in diesem Zusammenhang leicht aufzulösen, wenn wir das eben nicht tun.
Ethisch-vegan, biologisch hergestellte Fleischersatzprodukte sind somit für mich auch keine „Lifestyleprodukte“, sondern dürfen selbstverständlich zu einer leckeren veganen Ernährung mit dazugehören. Diese Art von Produkten generell in Frage zu stellen, nur weil sich ihrer jetzt die großen Konzerne bemächtigen, halte ich für unangemessen und vor allem unnötig.
Grundlegender Wandel in der Gesellschaft? Bitte ja – unbedingt! Und zwar MIT Wheaty, Veggyness, Viana, Veggie Life, Taifun Tofu, Purvegan und anderen, rein vegan produzierenden Unternehmen! Jede_r von uns hat es mit in der Hand, ob diese teils seit Jahrzehnten bestehenden Firmen weiter bestehen können oder von Wiesenhof, Rügenwalder und Co. verdrängt werden. Bei jedem Einkauf aufs Neue.
Was ein vegan lebender Mensch isst, entscheidet jedeR selbst, ob roh, Bio, junk..
Beachten wir aber unsere ethisch-moralische Verpflichtung, so kann nur der Kauf bei veganen Produktionsfirmen mit unseren Wertevorstellungen einhergehen, zumindest so weit als möglich („..as possible and practicable..“ Donald Watson, 1944).
Einem Fleisch- und Wursthersteller Geld in den Rachen zu jagen und damit auch zur Verfügung zu stellen, um Schlachtanlagen etc. effizienter zu gestalten, ist für mich als vegan lebende und für die unveräußerlichen Rechte von Tieren eintretende Person ein Paradoxon in sich und mit meinen tiefsten Überzeugungen unvereinbar.
Dieses auf die Ausbeutung der am leichtesten zu Unterdrückenden basierende System muss unabdingbar unter anderem auch durch unser Kauf- und Konsumverhalten von Grund auf renoviert werden.
Die Tierrechtsszene sollte ich auf ihre Arbeit besinnen. Dazu kann auch das Angebot von veganem Essen von veganen Anbieterinnen gehören. Im Grunde sollte es aber um eine kollektive Bewussteinsänderung gehen die in diesem Fall zwar meistens mit dem Essen anfängt, aber da nicht stehen bleiben darf, denn es geht um mehr bzw. genauer: um weniger, um mehr Bewusstsein und um weniger Konsum. Wir brauchen nämlich nicht mehr im Bauch, sondern mehr im Kopf verbunden mit den nötigen Mitgefühl. Das dürfte eindeutig sein, denn 50% der Bevölkerung ist bereits überfr….Vegan bedeutet für mich möglichst gewaltfrei leben zu wollen und das geht nur, wenn wir unser Bewusstsein kollektiv verändern, statt im Konsum zu versinken und es muss uns sehr interessieren, dass es uns allen gut geht.
Ich danke Dir für diesen Kommentar. Ich sehe das genauso. Ich finde einige vegane Ersatzprodukte auch sehr lecker, vor allem wenn es mal schnell gehen muss. Aber dass die ganzen Großkonzerne den veganen Markt abgraben wollen, ist total kontraproduktiv und widerspricht auch meiner Denkungsweise. Ich unterstütze lieber kleine ethisch korrekte Unternehmen, die auch in Bio Qualität in Deutschland produzieren. Jeder von uns hat täglich viele Wahlzettel zu verteilen – Form unseres Geldes in unserer Geldbörse. Also jeder hat die Wahl und damit auch einen Beitrag für die Zukunft der Welt.